Von Weiltingen nach St. Petersburg und bis nach Sibirien: Zum 250. Todestag von Johann Eberhard Fischer

Von Weiltingen nach St. Petersburg und bis nach Sibirien: Zum 250. Todestag von Johann Eberhard Fischer

250 Jahre sind seit dem Tod von Johann Eberhard Fischer vergangen. Der deutsche Historiker und Sprachforscher war Mitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften. Er nahm an der zweiten Kamtschatka-Expedition teil.
Mehr über den spannenden Lebensweg des Gelehrten erfahren Sie im folgenden Aufsatz, den Dr. Joachim Ruf anlässlich des 250. Todestages Fischers anfertigte.

Am 10. Januar des Jahres 1697 wurde in Weiltingen und nicht in der damaligen freien Reichsstadt Esslingen der Historiker und Sprachforscher Johann Eberhard Fischer geboren. Weiltingen gehörte damals noch nicht zu Mittelfranken, sondern zum Herzogtum Württemberg und war von 1616 bis 1705 Residenz einer Nebenlinie des württembergischen Herzoghauses.

Ich war lange Zeit der Meinung, dass Johann Eberhard Fischer in Esslingen geboren wurde, zumal heute noch in russischen Biografien der Geburtsort Fischers fälschlicherweise mit Esslingen angegeben wird. In manchen Biografien fiel mir aber auch auf, dass der Geburtsort Fischers mit Weiltingen angegeben wird. Im Stadtarchiv Esslingen war weder eine Geburts- noch Taufbucheintragung von J. E. Fischer zu finden, während eine Eintragung von J. E. Fischer in das Taufbuch des Marktes Weiltingen nachzuweisen ist. Inzwischen konnte ich endlich plausibel abklären, warum die falsche Geburtsangabe von J. E. Fischer mit Esslingen bis in unsere heutige Zeit sich in den russischen Biografien erhalten hat: offensichtlich ist man in St. Petersburg davon ausgegangen, dass Johann Eberhard Fischer seinen Geburtsort wahrheitsgemäß mit Esslingen angegeben hat. Erst in einem Zeitungsartikel des Lehrers Reinhold Wagner vom 23.02.1927 in der Esslinger Zeitung stieß ich zum ersten Mal auf den tatsächlichen Geburtsort Weiltingen.

Kaum jemand hat in der Folgezeit die Gründe dieses Widerspruches hinterfragt und auch während der Feier zum 300. Geburtstag im Jahre 1997 in Weiltingen spielte der wahre Geburtsort überhaupt keine Rolle: J. E. Fischer war natürlich der große Sohn von Weiltingen und niemand hätte hier angenommen, dass J. E. Fischer in Esslingen geboren wurde.

Johann Eberhard Fischer schrieb in seiner Autobiografie, dass er in der freien Reichsstadt Esslingen geboren wurde und sein Vater dort Direktor des Gymnasiums war. Sein Vater Georg Abraham Fischer zog aber erst im Jahre 1702 nach Esslingen und war dort Latein- und Musiklehrer an der örtlichen Lateinschule (dem späteren Georgii-Gymnasium).

Die falsche Angabe seines Geburtsortes kann nur so verstanden werden, dass Fischer in St. Petersburg von Landsleuten umgeben war, von denen die meisten von ihnen aus bedeutenden wissenschaftlichen Familien und Orten stammten. Fischer wollte offenbar nicht die niedrigere soziale Position und Herkunft seiner Eltern aufzeigen.

Fischers Familie gehörte zu den Honoratioren: Der Vater, Georg Abraham Fischer, war in Weiltingen herzoglicher Hoforganist und gleichzeitig Praeceptor an der hiesigen Lateinschule; die Mutter, Maria Euphrosina, war eine Tochter des fürstlich weiltingischen Leibmedicus Doktor Eberhard Gockelius.

Johann Eberhard Fischer hat im damaligen Schulhaus das Licht der Welt erblickt und wurde in der St. Peterskirche von dem Hofprediger und Prinzenerzieher, dem Pfarrer Tobias Nislin getauft. Das Taufbuch mit dem Taufeintrag ist in Weiltingen noch vorhanden. Es führt nicht weniger als acht Taufpaten auf.

Fischers Schulzeit dürfte noch in Weiltingen begonnen haben, wurde dann aber in Esslingen fortgesetzt. 1702 zog die Familie in die freie Reichsstadt Esslingen, wo sich der Vater um die vakante Stelle des Praeceptors der 2. Klasse und Director musices beworben hatte. Nach einer Prüfung, die Fragen aus dem theologischen Grundwissen und zu den lateinischen und griechischen Klassikern beinhaltete und nach einer Lehrprobe, wurde er angenommen. Der Rektor unterrichtete die 1. Klasse mit den ältesten Schülern, der Konrektor die 2. Klasse und die 3. und 4. Klasse unterrichteten Praeceptoren, zeitweise auch Provisoren.

Lateinschule in Esslingen, die J.E. Fischer besuchte.

Im Alter von neun Jahren (1706) wurde J. E. Fischer in das Collegium alumnorum in Esslingen aufgenommen, einem Internat, in dem die Knaben auf Kosten der Stadt unterhalten, verpflegt und erzogen wurden. Das Collegium war vor allem musikalisch ausgerichtet und sollte der Pflege des Chorgesanges und der Musik dienen. Voraussetzung für die Aufnahme war eine überdurchschnittlich musikalische Begabung. Damit hören wir erstmals von Fischers musikalischer Veranlagung und deren weiteren Ausbildung. Die Chorknaben gestalteten die Gottesdienste und auf Wunsch auch Beerdigungen, Hochzeiten und dergleichen Anlässe mit aus. Neben dem Schul- und Musikunterricht mussten die Schüler jeden Montag und Freitag zum Predigtgottesdienst, am Sonntag natürlich auch, und zwar sowohl zum Vor- wie Nachmittagsgottesdienst. Dabei wurde jeweils zuvor das Evangelium bzw. die Epistel des Tages in der Schule auf lateinisch und griechisch gelesen. Nach dem Gottesdienst wurde der Predigtinhalt abgefragt. Da wurde J. E. Fischer immer wieder aufsässig. In seiner Tübinger Zeit wanderte Fischer deshalb auch mehrmals in den Carcer.

Der Unterricht umfasste Latein, Religion, Arithmetik und Rhetorik, Geschichte und Geographie. Zweimal jährlich wurden Benehmen und Leistungsstand der Schüler bewertet, begabten Schülern winkte nach Beendigung der Lateinschule ein städtisches Stipendium für ein Universitätsstudium.

Nach sechs Jahren im Internat schrieb sich Fischer im Dezember 1712 an der Universität Tübingen ein. Die Universität umfasste damals eine theologische, eine juristische und eine Artistenfakultät. Das Grundstudium war für alle Fachrichtungen gleich und umfasste die Fächer Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Schon 1713 ist Fischer Baccalaureus, erhält ein Stipendium und wird in das theologische Stift in Tübingen aufgenommen. Das Stift sollte der Ausbildung von geistlichen und weltlichen Beamten dienen und wurde mehrmals im Jahr visitiert, am Tag Fabian, Sebastian, an Georgi, Jacobi und Martini. Bei einer dieser Visitationen fanden die Examina statt, die über das Vorrücken in die nächste Stufe entschieden. Auch wurden Benehmen und Fortschritte in einem Berichtsheft notiert. 1713 wird er unter den Novizen geführt, 1714 ist er unter den Compentes, 1715 ist er an Jacobi unter den Candidates und an Martini Magister. Seine Begabung wird durchgehend mit durchschnittlich beurteilt, dem entsprechen die Leistungen in den Fächern Latein, Griechisch und Hebräisch, Logik und Philosophie, in denen er geprüft wird. Mit der Erlangung des Magistergrades ist sein Studium vorerst abgeschlossen, trotzdem bleibt er noch, unterrichtet vielleicht, jedenfalls soll jetzt seine pädagogische Laufbahn begonnen haben.

Danach soll er sich einige Zeit in Augsburg aufgehalten haben, über diese Zeit heißt es „allerhand und drückende fata“ hätten ihn verfolgt, worüber Näheres nicht in Erfahrung zu bringen war. Lange kann er nicht in Augsburg gewesen sein, denn noch im gleichen Jahr treffen wir ihn als mittellosen Studenten in Halle/Saale. Dort lässt er sich nachweisen anhand des Verzeichnisses der Freitischler an den Francke‘schen Stiftungen, in den Matrikeln der Universität Halle-Wittenberg und durch einen handschriftlichen Brief an August Hermann Francke aus seiner Feder. August Hermann Francke war Professor für hebräische und griechische Sprache und für Theologie an der Universität und gleichzeitig Pfarrer in Glaucha vor den Toren Halles. Francke ist der Begründer des Halle‘schen Pietismus. Die unvorstellbare Not und Armut in Glaucha bewogen ihn, zunächst eine Armenschule zu gründen. Eine größere Spende, die er eines Tages im Opferstock seiner Kirche fand, ermöglichte ihm, ein Waisenhaus zu bauen. Sein Organisationstalent und Geschäftssinn ermöglichten ständige Erweiterungen, zu denen auch ein Mittagstisch für arme Stadtschüler und Studenten gehörte.

Johann Eberhard Fischer nahm vom Oktober 1716 an ohne Unterbrechung bis August 1719 an den Abendtischen im Waisenhaus teil. Im Dezember schreibt er sich an der Universität Halle-Wittenberg als Student der Theologie ein, bezahlt aber keine Studiengebühr. Nach Auskunft des dortigen Universitätsarchivs kann er vorher schon Gasthörer gewesen sein.

Aufschlussreich für seine Lage ist ein Brief, den Fischer am 19. Januar 1719 an den Leiter der Francke‘schen Stiftungen, Prof. August Hermann Francke, gerichtet hat mit der Bitte, als Mitarbeiter in den Francke‘schen Stiftungen aufgenommen zu werden, damit er seinen Lebensunterhalt sichern und sein Studium fortsetzen könne. Diesem Hilferuf ist anscheinend nicht entsprochen worden, jedenfalls taucht sein Name in den entsprechenden Verzeichnissen nicht auf (wohl aber der des Georg Wilhelm Steller aus Windsheim). Immerhin nimmt er seinen Freitisch noch bis August in Anspruch und schreibt sich auch noch als Theologiestudent an der Universität ein.

Interessant ist, dass in der Zeit, die Fischer in Halle verbrachte, enge Verbindungen zwischen den Francke‘schen Stiftungen und Russland bestanden und Missionare, Ärzte, Wissenschaftler und Lehrer von Halle aus nach Russland entsandt wurden.

Zum anderen wirkte in der gleichen Zeit an der Universität der Philosoph Christian Wolff, nach Leibniz‘ Tod Berater Peters des Großen. Ob diese Verbindungen bei Fischers Übersiedlung nach Russland eine Rolle gespielt haben, muss vorläufig offenbleiben. In dem erwähnten Brief an August Hermann Francke spricht Fischer von seinem Wunsch „eine Reise in Frankreich oder Griechenland oder wohl gar in beide Länder zu thun, um allda sowohl die Sprachen zu lernen, als auch eine profunde experience in vielen Sprachen zu erlernen…“.

Wo und auf welche Weise Fischer in den folgenden elf Jahren die Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, die Voraussetzung dafür waren, um in St. Petersburg sofort auf die Stelle eines Prorektors am Gymnasium der Akademie berufen zu werden, ließ sich nicht klären. Aber genau dort finden wir ihn im Jahre 1730.

In St. Petersburg hatte im Jahre 1725 Zar Peter der Große, einer Anregung des deutschen Gelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) folgend, die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften ins Leben gerufen. Zur Akademie gehörte ein Gymnasium und eine Universität.

Zumindest das Gymnasium scheint bei Fischers Berufung noch im Aufbau gewesen zu sein, denn „ohne alle Hilfsmittel sollten die aus dem Ausland bezogenen Lehrkräfte nicht nur oft ganz kenntnislos eintretende russische Schüler mit Erfolg durch das Gymnasium führen, sondern auch einheimische Lehrkräfte für Gymnasium und Universität heranbilden … die Zustände waren so … dass es vorkommen konnte, dass ein Aufseher mit seiner ganzen Familie in demselben Raum zu wohnen hatte, in dem einer der Lehrer unterrichten musste“.

Von 1732 an besaß Fischer das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Akademie und verfasste – in lateinischer Sprache – die Sitzungsprotokolle, da er über ausgezeichnete Lateinkenntnisse verfügte.

August Wilhelm Schlözer, der in St. Petersburg viele Jahre mit ihm verkehrte, hob hervor, dass Fischer „der Einzige im ganzen russischen Reiche (war), der klassische Literatur besaß und kritisch Latein verstand“. Zugleich galt Fischer als bester Gräzist jener Zeit in Russland.

Fischer war jetzt 35 Jahre alt, in gesicherter Stellung und konnte daran denken, eine Familie zu gründen. So heiratete er in St. Petersburg die Tochter eines deutschen Lehrers am Gymnasium, Katharina Margaretha Sticks. Aus dieser Ehe gingen vier Söhne, Peter, Johann, Karl und Friedrich, sowie fünf Töchter hervor.

Als Fischer an die Akademie der Wissenschaften berufen wurde, begannen die Vorbereitungen zur 2. Kamtschatka-Expedition, die er von Anfang an verfolgen konnte. Die Expedition dauerte von 1733 bis 1743, also zehn Jahre. Die Leitung des wissenschaftlichen Teils hatte Georg Friedrich Müller, der zugleich die historischen und sprachlichen Untersuchungen übernahm. Als Müller nach fünf Jahren den gesundheitlichen Strapazen nicht mehr gewachsen war, wurde Johann Eberhard Fischer als sein Nachfolger vorgeschlagen.

Im Oktober 1739 brach Fischer, begleitet von seiner Familie nach Sibirien auf. Er hatte genaue Instruktionen über den Reiseweg und seine Aufgaben. Im Jahre 1743 sah man in St. Petersburg den Zweck der Expedition als erfüllt an und rief die Teilnehmer zurück. Fischer hielt sich zu dem Zeitpunkt in Irkutsk auf. Da er auf dem Rückweg zusammen mit Georg Wilhelm Steller eine Reihe von Untersuchungen durchführen sollte, wartete er in Tomsk auf dessen Ankunft. Steller kam mit 21 Pferdefuhrwerken, vollbeladen mit Materialien botanischer, zoologischer und mineralogischer Provenienz.

Am 03. April 1746 erreichte Steller Krasnoe Selo, ein Kirchdorf nahe Solikamsk, wo er im Hause der berühmten wissenschafts- und kunstbeflissenen sehr reichen Familie Demidov – wie bereits 1742 Professor Gmelin und Professor Gerhard Müller – großzügige Aufnahme fand.

Georg Steller verbrachte zunächst sorglose Tage in Solikamsk. Er verpflanzte seine noch nicht eingetrockneten Sämlinge im Botanischen Garten des Hauses Demidov und unternahm mit Grigorij Demidov weiträumige botanisierende Exkursionen. Steller schreibt in sein Tagebuch: „Ich habe in diesem Sommer 1746 mehr als 2000 Werst (ca. 2200 km) durchreist, auf eigene Kosten zu Forschungszwecken“. Grigorij Demidov bestätigte diese Angaben Stellers später in einem Brief an Carl Linné vom 26.02.1748.

Im Hause Demidov waren noch der Adjunkt Professor Eberhard Fischer, der Opfer des Slóvo i djélo durch einen Untergebenen wurde und seine Expedition nach Kamtschatka vor Ochotsk 1743 abbrechen und unter militärischer Bewachung im strengsten sibirischen Winter über das Jablonoi Hochgebirge nach Jakutsk ziehen musste, wo man Johann Eberhard Fischer zwar freisprach, aber nicht mehr nach Kamtschatka ließ. Und ebenso erging es Stellers langjährigen Tier- und Pflanzenzeichner Johann Christian Berckhan.

Eine Kette unglücklicher Umstände führten nunmehr zur Verhaftung Stellers und zu seinem tragischen Tod. Seine Materialsammlung hatte er schon nach Moskau vorausgeschickt. Dass der gesamte schriftliche Nachlass, den er bei sich führte – der wissenschaftliche Ertrag von neun Jahren – und sein verzweifeltes Testament an die Akademie gelangten, ist Johann Eberhard Fischer zu verdanken, mit dem er in Solikamsk im Jahre 1746 zusammengetroffen war und dem er seine Manuskripte zu treuen Händen übergeben hatte.

Fischer war ein schwieriger Charakter, er bezeichnete sich bei einer Gelegenheit als einen „elenden Menschen …in dem Licht und Finsternis einen gewaltigen Streit in meiner Seele erregen, dass ich nicht destoweniger oftmals unterliege“. Er war ein Einzelgänger, mit dem es seine Umgebung nicht immer einfach hatte und dem zuweilen Nachlässigkeit in der Erfüllung seiner Pflichten vorgeworfen worden ist. Die Umsicht, mit der er sich Stellers Nachlass annahm, ist ein Beispiel für das Gegenteil.

Obwohl die Expedition seit 1743 beendet war, traf Fischer erst 1747, nach neun langen Jahren in Sibirien, wieder in St. Petersburg ein, übergab der Akademie seinen Rechenschaftsbericht und sein ganzes gesammeltes Material, darunter auch das „Vocabularium Sibiricum“. Er nahm seine Tätigkeit als Rektor des Akademischen Gymnasiums wieder auf und auch die Anfertigung der Sitzungsprotokolle der Akademie. Den letzten verfasste er 2 Wochen vor seinem Tod im Alter von 74 Jahren.

1750 hatte man ihn zum Professor für Geschichte und Altertümer ernannt und er erhielt den Auftrag, das gesammelte Material zu bearbeiten. Gut 20 Lebensjahre lagen da noch vor ihm. In diesen letzten 20 Lebensjahren lernte er den noch jungen Historiker August Wilhelm Schlözer kennen und verkehrte viele Jahre mit ihm. Schlözer war von der Menschlichkeit und Gelehrsamkeit Fischers tief beeindruckt und von seinen wissenschaftlichen Untersuchungen begeistert, besonders vom Sibirischen Wörterbuch.

In Russland schien sich inzwischen niemand mehr für seine Untersuchungen zu interessieren und Fischer ist so dankbar für Schlözers Enthusiasmus, dass er ihm sein Sibirisches Wörterbuch für das Historische Institut in Göttingen schenkt. Dieser versucht nun von Göttingen aus, Fischer zur Veröffentlichung weiterer Arbeiten zu bewegen.

Als die Sibirische Geschichte endlich gedruckt war, war Fischer 71 Jahre alt.

Durch Schlözer erfahren wir auch, dass Fischer ein guter und gelehrter Klavierspieler gewesen ist, wir wissen nun auch, dass er sich die Liebe zur Musik bis ins hohe Alter bewahrt hat.

Am 24. September 1771 endete dieser dornenreiche Lebensweg Johann Eberhard Fischers.

J. E. Fischer hatte neun Kinder, vier Söhne und fünf Töchter. Man kann davon ausgehen, dass es direkte Nachkommen in Russland und sonst wo gibt. Der Name Fischer – Фишер – ist in St. Petersburg häufig. Leider ist es mir bis jetzt trotz vieler Recherchen nicht gelungen, Nachfahren von J. E. Fischer ausfindig zu machen.

Nachtrag:
1730 kam Fischer, der einen Master-Abschluss hatte, nach Russland und übernahm die Position des Vizekanzlers am St. Petersburger Akademischen Gymnasium. Zwei Jahre später (1732) wurde er zum Rektor des Gymnasiums mit dem Recht ernannt, an akademischen Versammlungen teilzunehmen.

1738 unterzeichnete der Direktor der Russischen Akademie der Wissenschaften I. A. Korff einen Vertrag mit J. E. Fischer, nach dem ihm für fünf Jahre der Rang eines Adjuncts für die Kamtschatka-Expedition gewährt wurde. Bei seiner Rückkehr wurde ihm der Titel des Geschichtsprofessors versprochen. J. E. Fischer stimmte zu und verließ am 4. Oktober 1739 mit seinem Begleiter J. I. Lindenau St. Petersburg nach Sibirien.

Fischers Weg führte über Moskau nach Tobolsk, wo er bis Anfang Juni blieb und danach sich mit Müller in Surgut traf. Im Juli trennte sich Fischer von Müller und segelte nach Tomsk auf Irtysch und Ob. Segeln auf dem Ob dauerte eine ziemlich lange Zeit mit Unterbrechungen und so kam Fischer erst am 20. August 1740 in Tomsk an. In Tomsk war zu dieser Zeit J.G. Gmelin, mit dem er mit einer freundschaftlichen Beziehung verbunden war.

Mit Müllers Anweisungen zum Sammeln von Material verließ Fischer Tomsk am 23. Januar 1741 nach Krasnojarsk. 1744, als Fischer endlich in Irkutsk ankam, wurde er von der Akademie der Wissenschaften befohlen, nach St. Petersburg zurückzukehren.

Erst im Dezember 1746 kehrte Fischer nach Moskau zurück, kam dann nach St. Petersburg, wo er zum Professor für Geschichte befördert wurde und an der Akademie der Wissenschaften arbeitete.

1749 wurde er beauftragt, „Elocvention“ (oratorische Kunst) in einem akademischen Gymnasium zu unterrichten. Im folgenden Jahr wurde Fischer von der Akademie nach Pskow geschickt, um die verschiedenen dort aufbewahrten Bücher aus den eroberten schwedischen Städten zu überprüfen.

Anfang 1753 übergab Müller auf Wunsch der Akademie der Wissenschaften sein umfangreiches Manuskript und Vorbereitungsmaterial an Professor Johann Fischer, der mit der Verkürzung des Textes von Müllers „langer Arbeit“ beauftragt wurde. Die mehr als achthundert Seiten große Fassung der „Sibirischen Geschichte“ wurde 1757 in St. Petersburg auf Deutsch gedruckt. Danach 1768 unter dem Titel „Sibirische Geschichte von der Eroberung Sibiriens“ in St. Petersburg gedruckt. Diese Arbeit basiert auf Materialien, die der Historiograph Müller von der sibirischen Reise mitgebracht hat. 1774 gab es dann eine russische Übersetzung dieses Werkes, die ohne Vorwort veröffentlicht wurde.

Fischers „Sibirische Geschichte“ enthielt zwei Karten mit Inschriften in deutscher Sprache und der Überschrift in lateinischer Sprache „Sibiriae veteris tab“ („Sibiriens alter Tisch“). Die russische Übersetzung, veröffentlicht 1774, hatte zwei ähnliche Karten vom „alten Sibirien“, sie wurden dann mit neuen Tafeln gedruckt, auf denen die Inschriften in russischer Sprache eingraviert sind. Die in Fischers Sibirische Geschichte erschienenen „Tabellen“ waren die ersten historischen Landkarten Sibiriens, die an der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften erstellt wurden.

Veröffentlichungen (in chronologischer Reihenfolge):

Fischer, J. E. Sibirische Geschichte von der Entdekkung Sibiriens bis auf die Eroberung dieses Lands durch die Russischen Waffen, in den Versammlungen der Akademie der Wissenschaften vorgelesen, und mit Genehmhaltung derselben ans Licht gestellt. Th. 1:2. – St. Petersburg: Gedruckt bey der Kaiserlichen Academie der Wissenschaften, 1768.

Th. 1. Buch 1:3. – St. Petersburg, 1768. 536 S.: 2 Liter Karten.

Th. 2. Buch 4:5. – St. Petersburg, 1768. 537-861, S.: 2 L. Karten.

(nach S. 861 wurden Zeiger auf die Publikation (ohne Seitenpaginierung) platziert. „Der Text des Autors in deutscher Sprache“

Wiederveröffentlichung in deutscher Sprache:

J. E. Fischer: Sibirische Geschichte von der Entdeckung bis auf die Eroberung des Landes durch die russischen Waffen. 2 Teile. Neudruck der Ausgabe. „stereotypische Neuauflage.“ – Osnabrück: Biblio-Verlag, 1973. – 861, [190] S.: ill., 2 Karten.

Ausgabe in russischer Sprache:

Fischer, I.E. Sibirische Geschichte von der Entdeckung Sibiriens bis zur Eroberung dieses Landes durch russische Waffen, komponiert in deutscher Sprache und in der Sammlung eines akademischen, von einem Mitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften und Professor für Altertümer und Geschichte, sowie einem Mitglied der historischen Sammlung Gettingen Johann Ebergard Fischer / St. Petersburg.: An der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 1774. 2, 631 S.m.: 2 PS Karten.

Ausgabe in französischer Sprache:

Fischer, J. E. Recherches historiques sur les principales nations établies en Sibérie et dans les pays adjacens, lors de la conquéte des Russes / ouvrage traduit du russe par M. Stollenwerck. – Paris: Laran et Cie, [1801]. – XXIV, 295 S.: 7 pl. dépl.
Eine kurze Übersetzung der russischen Ausgabe von 1774.

Beschrieben von: http://www.sudoc.abes.fr/xslt/DB=2.1/SET=1/TTL=1/CLK?IKT=1&TRM=Fischer,Johann+Eberhard

J. E. Fischer: Quaestiones Petropolitanae: I. De origine Ungrorum. II. De origine Tatarorum. III. De diversis Shinarum imperatoris nominibus titulisque. IV. De Hyperboreis / edidit Aug. Lud. Schloezer. – Gottingae; Gothae: impensis Dieterichianis, 1770. – VIII, 119 S.

Fischer: J. E. Vocabularium Sibiricum: (1747). Der etymologisch-vergleichende Anteil / Bearb. und hrsg. von Janos Gulya. – Frankfurt am Main; Berlin; Bern; New York; Paris; Wien: Lang, 1995. – 247 S. (Opuscula Fenno-Ugrica Gottingensia; Bd. VII).

1995 wurden J. E. Fischers Sprachmaterialien in deutscher Sprache von Janos Gulya in Deutschland veröffentlicht.