Ausstellung „Deutsche Siedler um Sankt Petersburg: Eine historische Kulturlandschaft“ in Detmold

Eine Zusammenarbeit des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold und der Stiftung für die Förderung und Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen „Deutsch-russischen Begegnungszentrum an der Petrikriche Sankt Petersburg“.

 Am 14. November 2014 wurde anlässlich des 250-jährigen Bestehens der deutschen Kolonien um Sankt Petersburg im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte die Ausstellung „Deutsche Siedler um Sankt Petersburg: Eine historische Kulturlandschaft“ feierlich eröffnet. Das Projekt wurde unter der Schrimherrschaft des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Herrn Hartmut Koschyk und im Rahmen der Initiative des Bundeskultusministeriums „Kultur und Geschichte der Russlanddeutschen“ gesammelt wurde realisiert werden.

Im Laufe des Projekts wurden zahlreiche kulturhistorische Kostbarkeiten, die über Jahre hinweg in den Familien der Nachfahren der Kolonisten erhalten geblieben sind, sowie einige Quellen aus staatlichen und privaten Archiven in Deutschland und Russland systematisch ausgewertet und historisch eingeordnet. Die Ausstellung ist chronologisch aufgebautLumberton. Sie ist in verschiedene Themenblöcke eingeteilt, an insegesamt 14 Ausstellungsständen und in einem  umfangreichen Katalog präsentiert werden. Der Katalog ist in digitaler Form auf CD im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte zu kriegen. Es ist geplant, die Ausstellung im Laufe des nachfolgenden Jahres im Gerhard-Hauptmann-Haus in Herne, in der Martin-Opiz-Bibliothek in Düsseldorf und im Rathaus der Stadt Detmold der Öffentlichkeit weiter zu präsentieren. Ausführliche Informationen hierzu finden Sie auf der Internetseite des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte: www.russlanddeutsche.de

Autorin der Ausstellung ist Frau Dr. Irina Tscherkasjanowa, bereits Initiatorin und Autorin zahlreicher, den Kolonisten gewidmeten Projekten, Bücher und Ausstellungen. Für ihre Leistungen in ihrer wissenschaftlichen und aufklärerischen Tätigkeit wurde sie 2013 mit dem Georg-Dehio-Kulturpreis ausgezeichnet und im Jahre 2014 zu den „Besten deutschen Namen Russlands“ gezählt. Sie erhielt dafür dafür den Boris-Rauschenbach-Preis im Bereich der Wissenschaft.

Die Ausstellung  in Detmold wurde durch den Beauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk eröffnet. In seinem herzlichen und emotionalen Grußwort richtete er sich an die anwesenden Museumsmitarbeiter, den Bürgermeister der Stadt Detmold, Herrn Heller, Wissenschaftler Deutschlands und die in Deutschland lebenden Nachkommen von Kolonisten, die aus alles Ecken Deutschlands zur Ausstellungseröffnung angereist waren. Außerdem richtete sich das Grußwort an die Partnerorganisation, die schaffte, in so kurzer Zeit so umfangreiches Material, das bisher nirgendwo in einfacher und zugänglicher Form zu finden war, aufzubereiten und zu einer Ausstellung zu formen.

Die Arbeit der Stiftung zur Förderung und Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen „Deutsch-russisches Begegnungszentrum“, umfasst ein breites Spektrum von Bildungsprojekten sowie ethnokulturell, international und sozial ausgerichteten Projekten. In seiner Rede zollte der Aussiedlerbeauftragte dem Deutsch-russischen Begegnungszentrum für sein Wirken große Anerkennung.

Neben dem Aussiedlerbeauftragten richtete auch ein Abgeordneter des deutschen Bundestages, Herr Heinrich Zertik, das Wort an die Gäste der Ausstellungseröffnung. In seiner Rede betonte er mehrmals die Notwendigkeit gemeinsamer Projekte zwischen Partnerorganisationen in Russland und Deutschland. Anschließend wurde den Vertretern der Stiftung ein Vorschlag für ein neues Bildungsprojekt im Kreis Lippe gemacht.

Für viele der Anwesenden spiegelte die Ausstellung ein Stück der eigenen Familiengeschichte wider – zum Teil fremd, zum Teil noch immer ein Tabu.

Die Kolonialisierung bestimmter Gebiete Russlands durch deutsche Aussiedler geht auf eine Idee der Zarin Katharina II zurück, die auf diese Weise unbesiedelte Gebiete und Randregionen landwirtschaftlich nutzbar machen wollte. Mit dem Beginn des sogenannten Einlandungsmanifests „Über die Erlaubnis für alle nach Russland einreisenden Ausländer, sich in den von ihnen gewünschten Gouvernements niederzulassen und über die ihnen gewährten Rechte“ vom 22. Juni 1763 begann eine gewaltige Welle der Übersiedlung deutscher Kolonisten nach Russland. Die Kolonisten siedelten sich zunächst an der Wolga an, für die Gründung der Kolonien im Petersburger Umland war eine Sonderentscheidung nötig, denn sie waren ursprünglich nicht geplant.

Innerhalb der Jahre 1765 bis 1767 entstanden die Kolonien Nowosaratowskaja, Srednerogatskaja  und Ishorskaja sowie nahe Jamburg (Kingisepp) Luzkaja, Porchowskaja und Frankfurtskaja.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zu einer weiteren verstärkten Einwanderung deutscher Kolonisten nach Russland, nachdem Zar Alexander I eine erneute Aufnahme von Kolonisten genehmigt hatte. So entstanden am Ufer des Finnschen Meerbusens, entlang der Peterhofer Landstraße die sogenannten Küstenkolonien. Die größte war eine Kolonie namens Strelna.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebten die deutschen Kolonien ihre Blütezeit. Sie entwickelten sich schnell und die wachsende Bevölkerung der einzelnen Kolonien führte schließlich zum Entstehen von Tochterkolonien im Petersburger und Nowgoroder Gouvernement. Anfang des 20. Jahrhunderts existierten etwa 40 Kolonien.
Die Kolonisten leisteten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Landwirtschaft und waren führend in Landwirtschaftssektoren wie z.B. dem Kartoffelanbau.

Zur Zeit der Sowjetunion wurden aus den einzelnen Kolonien wichtige Kolchosen. Als Beispiel seinen nur die „Rote Fahne“ oder die Thälmann-Kolchose genannt. Sie waren nicht nur die ersten „Millionen-Kolchosen“ im Leningrader Gebiet, sondern auch die erfolgreichsten.

Während des zweiten Weltkrieges wurden Großteile der Siedlungen im Zuge der Kämpfe zischen der Roten Armee und den Deutschen zerstört. Zusätzlich verloren die deutschen Kolonien ihren guten Ruf: man beschuldigte sie der Untreue gegenüber des Sowjetregimes deportierte sie im Herbst 1941 und 1942 zur Strafe kollektiv nach Kasachstan und Sibirien. Aus den von den Deutschen Besetzen Gebieten um Sankt Petersburg wurden die verbliebenen Kolonisten nach Deutschland gebracht und später nach ihrer Rückkehr in die UdSSR zu Lagerhaft verurteilt.
Von 1948 bis 1955 litten die Sowjetdeutschen unter der vom Sowjetregime abgeordneten „Sonderansiedlung“. Erst 1972 erhielten sie die offizielle Erlaubnis an ihre Heimatorte zurückzukehren.

In den 1980er Jahren kam die Frage nach dem Wiederaufbau der deutschen Kolonien erstmals wieder auf. In den 1990er Jahren wurde mit der Kolonie Neudorf nahe Strelna ein Versuch des Wiederaufbaus gestartet. 35 Häuser für 55 Familien wurden dort insgesamt gebaut.

Einer Volkszählung aus dem Jahr 2002 zufolge leben ungefähr 3700 Deutsche in der Stadt Sankt Petersburg und insgesamt 2372 im Leningrader Gebiet.

Text des Ausstellungsstandes Nr.1

Seit 1993 kümmert  die Stiftung zur Förderung und Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen „Deutsch-russisches Begegnungszentrum an der Petrikirche Sankt Petersburg“ mithilfe von Kultur- und Bildungsprojekten um den Erhalt der russlanddeutschen Kultur, ihrer Sprache und ihrer Traditionen in Sankt Petersburg und in der Nordwestregion Russlands.

Die Ausstellung „Deutsche Siedler um Sankt Petersburg: Eine historische Kulturlandschaft“ thematisiert die gesamte Geschichte der Kolonien um Sankt Petersburg: Von den ersten Siedlungen in der Umgebung Sankt Petersburgs, das Entstehen der Küstenkolonien zu Beginn des 19. Jahrhunderts, das Entstehen und die Entwicklung der Tochterkolonien, das 100-jährige Bestehen der Kolonien um Sankt Petersburg, die neue Identität der Kolonisten, die Siedlungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Traditionen und Reformen, Kirche, Glauben und das geistliche Leben der Kolonisten, Kindererziehung und Bildungssystem, die Kolonisten im Staats- und Gesellschaftsdienst, bis hin zum Familienleben in den Kolonien. Die chronologisch aufgebaute Sammlung zeigt die historische Vielfalt im Leben der Kolonisten zwischen den beiden Weltkriegen und dem Grauen der Deportationen und Sondersiedlungen. Abgerundet wird die Ausstellung mit Exponaten zum Niedergang der deutschen Kolonien im Sankt Petersburger Umland und der bisher einzigen russlanddeutschen Kompaktsiedlung in Nordwestrussland, der Siedlung Neudorf-Strelna. Abschließend gibt es Informationen zu den Projekten der Stiftung für die Förderung und Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen „Deutsch-russisches Begegnungszentrum“.

Der wichtigste Partner der Stiftung war bei diesem Projekt das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold, dem einzigen Museum Europas, das sich mit der Geschichte der Russlanddeutschen, ihrem langen Weg aus Deutschland nach Russland, ihrer Rückkehr in die Heimat ihrer Vorfahren sowie mit ihrer gegenwärtigen Lage auseinandersetzt. Der Museumsdirektorin Frau Dr. Katharina Neufeld und dem Vorstandsvorsitzen des Museums Herrn Witalis Hagelgans ist die Wichtigkeit derartiger kulturhistorischer und aufklärerischer Projekte bewusst. Sie erklärten sich einverstanden, dieses anspruchsvolle Projekt gemeinsam mit uns zu erarbeiten und zu realisieren. Über den Zeitraum eines Jahres arbeiteten beide Organisationen gemeinsam an der Ausstellung und wie sich zeigte, waren auch unsere Partner äußerst zufrieden mit den Resultaten unserer Zusammenarbeit. Fotogalerie…

Im Rahmen der Deutschen Woche in Sankt Petersburg 2015, die traditionell Ende April stattfindet, wird die Ausstellung für die Besucher des deutsch-russischen Begegnungszentrums in den Räumlichkeiten des deutsch-russischen Begegnungszentrums eröffnen. Nähere Informationen zur Ausstellung und zur elektronischen Bibliothek sowie der Text des Ausstellungskataloges werden zeitnah auf der Internetseite des deutsch-russischen Begegnungszentrums www.drb.ru zu finden sein.

Die Organisatoren der Ausstellung bedanken sich herzlich bei den Nachkommen der Kolonisten, die Material aus ihren Familienarchiven für diesen Zweck zur Verfügung gestellt haben.

Foto: Wassilij Janzen (Gießen)

  1. Ausstellungseröffnung. Von links nach rechts: Heinrich Zentig (Bundestagsabgeordneter), Dr. Irina Tscherkasjanowa (Autorin des Ausstellungskonzepts und Vorstandsmitglied der Internationalen Forschungsassoziation für russlanddeutsche Kulturgeschichte), Dr. Katharina Neufeld (Museumsdirektorin des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold), Hartmut Koschyk (Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten) Arina Nemkowa (Leiterin der Stiftung für die Förderung und Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen), Rainer Heller (Bürgermeister der Stadt Detmold), Witalis Hagelgans (Vorstandsvorsitzender des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte)
  2. Die Ausstellung befindet sich in den Räumen des Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte
  3. Interessierte Gäste machen sich mit dem Ausstellungskatalog vertraut.